Werner Bossert © Swiss Wrestling Federation

Sommerinterview mit Verbandspräsident Werner Bossert 

Dieses Jahr konnten die Schweizer Meisterschaften wieder wie gewohnt durchgeführt werden, gibt es noch Corona-Nachwehen, die den Schweizer Ringsport beeinflussen?

Werner Bossert: Definitiv gibt es noch Nachwehen. Die Teilnehmeranzahl bei Schweizer Meisterschaften im Juniorenbereich ist nicht zufriedenstellend. Wir wissen von anderen Sportarten, dass diese ähnliche Probleme haben, speziell im Nachwuchsbereich. Dies hat auch Swiss Olympic erkannt und ein Revitalisierungsprogramm aufgelegt, welches Vereine und Verbände nutzen und hierfür auch finanzielle Unterstützung beantragen können, um die Anzahl an Sportlerinnen und Sportler auf das Vor-Corona-Niveau wieder angehoben zu bekommen.

Viola Amherd (Anm. d. Red.: Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport) hat die Frauenquote bei den Sportverbänden ins Gespräch gebracht. Wie weit ist der Verband mit der Umsetzung dessen schon vorangeschritten?

Bossert: Wir finden dieses Thema auch im Ringsport sehr wichtig, allerdings in unserer sehr Männer-lastigen Sportart sehen wir die Umsetzung aktuell als nicht realistisch an. Bei rund 1300 lizensierten Ringern haben wir rund 40 Ringerinnen, dieser Anteil beträgt also gerade einmal drei Prozent. Trotzdem arbeiten wir intensiv als Verband daran, den Frauenanteil stetig zu erhöhen. Hierzu hat Monika Kurath (Anm. d. Red.: Chef Leistungssport) ein Projekt erarbeitet und dies dem Ringerweltverband UWW vorgestellt, der dies aufgenommen hat und gemeinsam an der Umsetzung arbeitet.

Im Zentralvorstand des Verbandes haben wir aktuelle eine Frau, Renate Wieland in der Funktion als Leiterin des Sekretariats. Als 40-Prozent-Stelle führt Monika Kurath gemeinsam mit Andreas Wieser (ebenfalls 40 %) das Resort Spitzen- und Breitensport. Nicole Wieser unterstützt die beiden administrativ neu mit einer 20-Prozent-Stelle. Die Verbandsmedienarbeit wird Ende des Jahres ebenfalls in Frauenhand an Lynn Welter übergeben. In den beiden Bereichen haben wir die geforderte Quote also bereits erreicht. In anderen Bereichen sind wir uns der Unterrepräsentation von Frauen bewusst, ermutigen aber jeden, sich im Verband einzubringen, da in den nächsten Jahren weitere Abgänge im Zentralvorstand neu zu besetzen sind.

Swiss Olympic hat den Verband in die zweitbeste Sportförderstufe eingestuft, welche Aufgaben hat der Verband bekommen und bereits umgesetzt, woran wird noch gearbeitet?

Bossert: Die angestrebte und vergangenen September 2021 ausgesprochene Heraufstufung brachte neue Herausforderungen für den Verband. Der wichtigste Punkt ist natürlich die wesentliche Erhöhung von Fördergelder von Swiss Olympic an Swiss Wrestling von rund 200.000 Schweizer Franken. Diese zusätzlichen Fördermittel sind zweckgebunden und nachweispflichtig. Gemäß Leistungsvereinbarung müssen und haben wir zum Beispiel zusätzliche Trainer im Breitensport sowie Nachwuchsbereich eingestellt mit dem Ziel, die Kadergröße von unten nach oben aufwachsen zu lassen. Die größte Herausforderung besteht darin, die Sportlerinnen und Sportler zwischen dem Nachwuchskadettenbereich zum Elitebereich nicht zu verlieren, sondern stetig auf diesem Weg zu begleiten und auftretende persönliche Probleme gemeinsam zu lösen, um diese Athleten weiterhin für den Ringsport zu motivieren.

Welche personellen Veränderungen stehen im Verband an, Stichwort Cheftrainer Greco und Nachwuchsarbeit? Würden Sie es als normale Fluktuation ansehen?

Bossert: Im Zentralverband und auch im erweiterten Vorstand haben wir eine unterdurchschnittliche Fluktuation, dies zeigen zurückblickend die vergangenen Jahre. Bezugnehmend auf die angesprochenen Positionen, beim vakanten Cheftrainer Greco, bei dessen Ausschreibung sich rund elf Kandidaten aus ganz Europa beworben haben, sind wir aktuell in der Evaluierungsphase, hier wird es in Kürze einen neuen Trainer geben. Im Jugend- und Sportbereich haben wir eine Rotation von Posten, hier ist die neue Aufgabenverteilung bereits abgeschlossen. Hauptverantwortlicher ist Philipp Rohrer der für die Aus- und Fortbildung der Trainer verantwortlich ist, er ersetzt den langjährigen Leiter Roger Mamie.

Stefan Reichmuth und Sämi Scherer haben nach ihren Operationen intensiv therapiert und trainiert und nun erste internationale Lehrgänge und Turniere besucht. Insgesamt blieben dieses Jahr aber vordere internationale Erfolge die Ausnahme. Weniger als zwei Jahre sind es bis Olympia, wo stehen die Schweizer Eliteringer 2024?

Bossert: Wir haben unsere Erfolge mehrfach in technischen Sitzungen diskutiert und sind uns bewusst, dass diese Erfolge nicht zum Standard gehören werden. Wir haben die letzten drei Jahre so viele Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften gewonnen, dass man sich daran gewöhnen könnte. Aber die Medaillenausbeute wird nicht dauerhaft so hoch bleiben. Wir haben die Basisarbeit seit mehreren Jahren konzeptionell neu aufgestellt, daraus sollen nachhaltige Erfolge resultieren. Die WM-Elite und U23-Weltmeisterschaften stehen im Herbst noch an und unsere Chancen sind sehr gut, auch dort wieder auf dem Treppchen wahrgenommen zu werden. 

Wir wissen, dass die Ringerkarten bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris durch die politischen Aktionen in Europa neu gemischt sind. Unser Ziel ist es, mit mindestens einem Schweizer Ringer oder einer Ringerin bei Olympia vertreten zu sein, zwei wären natürlich mega. Dieses Ziel ist gesetzt und wir glauben fest daran.

Als Swiss Wrestling Präsident tragen Sie zusätzlich Verantwortung für die Schweizer Ringen-Community, Sie selbst sind aber auch als einer von zwei Geschäftsführern beim Erlebnispark SPORT ROCK in Willisau tätig. Was motiviert Sie trotz des zusätzlichen erheblichen Zeitaufwandes für den Verband als Präsident weiter ehrenamtlich für den Ringsport tätig zu sein?

Bossert: Die Motivation ziehe ich aus dem Ringsport als solches. Den jungen Menschen Rahmenbedingungen zu geben, um ihre Ziele erreichen zu können, sich aktiv im Ringsport zu beteiligen, ob als Ringer oder als ehrenamtlicher Helfer.Gemeinsam wollen wir Athleten auf ihren Weg zum Spitzensport begleiten und ihnen eine entsprechende Plattform bieten. Ausgangspunkt ist natürlich immer der Breitensport in den Vereinen, der die Basis für jeden Erfolg bildet. Die besten Rahmenbedingungen hierfür zu schaffen, dafür trete ich als Präsident ein und dies motiviert mich ungemein